Verlassen

Man kann sich auf nichts mehr verlassen.  

Was ist aus dieser Welt geworden? Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo man Gesetze einhalten musste (egal, ob sie Sinn ergaben, oder nicht), wo man sich an Versprechen orientieren konnte, weil diese eingehalten wurden, und wo man zu (auch mündlichen) Zusagen stand.  

Was ist heute anders? Man gewinnt den Eindruck, dass man nur irgendwie begründen muss, warum man etwas Gutes im Sinn hatte, um offenbar jegliches Gesetz zu umgehen. Wenn dann ein Großteil der Bevölkerung, oder auch nur ein lauter von sich als Großteil sprechender, Teil der Bevölkerung dies lautstark unterstützt, kann man mittlerweile davon ausgehen, nicht nur nicht belangt zu werden, sondern eben auch als der Held des Tages durch die Medien getragen zu werden. 

Es werden Aussagen getroffen (“ich werde nicht Teil dieser Regierung werden”, “ich strebe kein Ministeramt an”, “selbstverständlich haben wir einen Spitzenkandidaten, an dem wir festhalten”), an die man sich gegebenenfalls sehr schnell nicht mehr erinnert, oder auch sonst für nichtig erklärt. Schließlich haben sich die Dinge ja geändert, seit der gemachten Aussage. 

Wenn ich im Augenblick die Nachrichten schaue oder höre, komme ich meist aus dem Staunen nicht heraus. Oder anders gesagt, ich hätte nicht geglaubt, dass ich neuerdings ständig den Satz “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.” im Hinterkopf spuken habe. Wie kann es sein, dass man sich einem (notwendigen) Untersuchungsausschuss entzieht, indem man sich in ein hohes Amt wählen lässt? Wie kann es sein, dass nur aufgrund der Angst, es könnte seltsam aussehen, und schwierig werden, Stimmen gegeben werden, die man nie mit gutem Gewissen hätte geben dürfen. Es sieht halt schlecht aus, wenn wir keinen Kompromiss erzielen? Ja Mensch, dann setzt Euch zusammen, debattiert und findet eine Lösung, und keinen faulen Kompromiss. Wer soll denn die EU noch für voll nehmen, wenn genau dies an der Tagesordnung ist. Erstmals seit langem gab es eine einigermaßen akzeptable Wahlbeteiligung. Ich prognostiziere, dass dies bei den nächsten Wahlen nicht mal mehr ansatzweise erreicht werden wird. Schade eigentlich. Aber, solange immer alle Entscheidungen zur Alternativlosigkeit hochstilisiert werden, wird es sich wohl nicht ändern. 

Ein anderes Thema. Eine Stadt in Deutschland verhängt Bußgelder, wegen der FFF-”Streiks” und den dadurch resultierenden Fehlstunden. Nach Recht und Gesetz. Was passiert? Es folgt ein Aufschrei der “Guten und Gerechten” und die Bußgeldbescheide werden zurückgenommen. Wie kann so etwas sein? In einem Rechtsstaat. Ich möchte hier nicht propagieren, man müsse auf alle Fälle auch die unsinnigsten Gesetze einhalten, zumal es hier ja durchaus Interpretationsspielräume gab. Aber, darüber mache ich mir als Schulbehörde doch vorher Gedanken. Ich gehe hin und sage, ist zwar nicht rechtens, aber wir verzichten auf eine Strafe. Dann schreibe ich diese Bescheide nicht. Oder, ich verschicke die Bescheide, und bleibe dabei. Letztlich kann jeder, der sich ungerecht behandelt fühlt, den Rechtsweg einschreiten, denn, siehe oben --> Rechtsstaat. Ein Gericht hätte den Bescheid kassiert oder bestätigt. Hier ist genau wieder das geschehen, was das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert. Es wurde lauter Unmut geäußert, und Gesetze waren dann zweit-, oder drittrangig. 

Diese Shitstorm-Mentalität hat mittlerweile in weiten Bereichen des öffentlichen Lebens Einzug gehalten. Es wird ewig debattiert, dann eine Entscheidung getroffen, und kurz vor der Ausführung kommt Gegenwind auf, was das Projekt dann scheitern lässt. Resultat = viel Geld verbrannt, Nerven und Arbeit unnütz investiert und man steht am Anfang. 

Meine Bitte an alle Entscheider. Bitte trefft nach gründlicher Überlegung eine Entscheidung, und dann setzt alles dafür ein, diese Entscheidung auch durchzusetzen. Man kann es eh nicht Jedem Recht machen, und so haben alle anderen dann wenigsten Planungssicherheit und wissen, woran sie sind. Das kann doch so schwer nicht sein, find ich. 


26.07.2019