In der Genderfalle

In meiner Funktion als Dozent für Erste Hilfe, arbeite ich in meinen Kursen selbstverständlich mit Beispielen. Sowohl bildlich, als auch sprachlich. Soviel soll zur Einleitung genügen, um auf ein Erlebnis zu kommen, welches ich nach meinem letzten Kurs hatte, und welches ich äußerst interessant fand, und durchaus die halbe Stunde Wert, die es in Anspruch nahm.

Eben nach jenem Kurs, blieben zwei junge Frauen zurück, und baten um ein Gespräch. Ihnen wäre aufgefallen (und dies würden sie anprangern), dass in meinem soeben abgehaltenem Kurs mit solch krassen Rollenklischees gearbeitet wurde, dass sie die ganze Zeit bereits hibbelig wurden, und dies unbedingt zur Diskussion stellen wollten.

Was war passiert? Beim Thema Erste Hilfe gibt es, um etwas anschaulich zu gestalten, Opfer und Helfer. Das liegt in der Natur der Sache. Existiert kein „Opfer“, braucht man keinen Helfer.

In dem Kurs waren den jungen Frauen aber die Rollen nicht gerecht verteilt. Es gibt ein Bild, auf dem eine weibliche Person am Boden liegt, der von einem männlichen Protagonisten geholfen wird. Im weiteren Verlauf bringe ich Beispiele, welche die Frage aufstellen, ob eine (Zitat) junge Mutter, die ihr Kind (im Kindersitz) im Auto hat, bei einem Notfall zur Ersten Hilfe verpflichtet ist. (für eine Auflösung dieser Frage, kann man gern einen Kurs buchen)

Warum sitzt in dem Auto kein junger Vater? Warum ist im Beispiel einer nächtlichen Fahrt über die Landstraße mit der Aufgabenstellung „bei einem Unfall mitten in der Pampa: aussteigen oder nicht?“ natürlich eine Frau am Steuer? Es half auch nichts, dass ich auch mich selbst in diese Situation versetzte.

Warum vergiften sich im Haushalt überwiegend Männer, und die Frauen haben Schuld? Mein Argument, dass es sich dabei leider um einen Fakt handelt, und der eigentliche Depp in diesem Szenario der Herr des Hauses ist, ließen sie gelten. Bei der Formulierung „Herr des Hauses“ hätten sie allerdings wieder Bluthochdruck bekommen.

Nun bin ich, als jemand, der sich bereits freut, wenn dar Dübel zum Bohrloch passt, und dann auch noch die richtige Schraube zur Hand ist, mit Sicherheit niemand, der in Rollenbildern denkt oder lebt. Zumindest dachte ich das. Bis zu diesem Gespräch.

Wahrscheinlich denke ich unterbewusst sehr wohl in Rollen. Ich bin es gewohnt, einer Frau den Vortritt zu lassen, ich bin immer noch konditioniert, schwere Einkaufstaschen zu übernehmen und so weiter. 

Dies alles mache ich nicht, weil ich mich für das „starke Geschlecht“ halte. Mitnichten würde ich dies von mir behaupten. Ich bin so sozialisiert. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in welcher in der Werbung die Mutti für die Küche und die Waschmaschine zuständig war. Der Papa kam nach der Arbeit nach Hause, und setzte sich erstmal hin und ließ sich verwöhnen.

Mein Glück ist, dass ich solche Muster lediglich aus dem Fernsehen kenne. In meinem Umfeld (neudeutsch Bubble) ist es normal, dass auch der Mann im Haushalt hilft, obwohl meine Frau das wahrscheinlich belächeln, und mich der Lüge bezichtigen wird. 

Ich bin aus dem besagten Gespräch zumindest nachdenklich herausgekommen. Die zwei Frauen waren zufrieden, ihren Standpunkt klargemacht zu haben. Ergo – ein gutes und konstruktives Gespräch. Meinen nächsten Kurs am Sonntag werde ich mal genauer beobachten.

Warum aber heißt der Text aber „In der Genderfalle“? 

Keine Ahnung – klingt einfach reißerischer. 

Beim Thema „Gendern“ habe ich einfach zu viele Meinungen, die sich teilweise gegenseitig widerlegen.

In der Sprache finde ich es komplett Gaga, werde mich aber sicherlich, nach rigoroser „Beschallung“ von den „richtigen Seiten“ gewöhnen. Derzeit bekomme ich davon noch Ohrenbluten, da es ziemlich gekünstelt klingt. 

Im Bereich der Schrift nehme ich mir einfach die Zeit und die Textlänge, und schreibe das aus, was ich sagen, und wen ich ansprechen möchte. „Liebe Lehrerinnen und Lehrer“ geht mir leichter in die Tastatur, als „Liebe LehrerInnen“ oder gar „Liebe Lehrer:innen“. „Liebe Lehrer*Innen“ geht auch nicht schneller. Zumal es mein Schreibprogramm als Fehler markiert.

Aber das, ist ein ganz anderes Thema, welches ich mir vielleicht irgendwann später einmal vornehme. 

Bis dahin sollte ich mir allerdings nochmals meinen Kurs durch den Kopf gehen lassen, find ich.

 

07.05.2021