Kultur in der Krise

Fehlt da nicht etwas? Müsste es nicht „Kultur in der Corona-Krise“ heißen? Klare Antwort: es müsste heißen „Kultur auch in der Corona-Krise“.

Es ist nicht zu übersehen, dass gerade die unbekannteren und/oder regional agierenden Künstler (Musiker, Comedians, Moderatoren, Zauberer, Alleinunterhalter usw.) besonders unter Auftrittsabsagen und Veranstaltungs-Stornierungen leiden. Diejenigen, die ihre Einkünfte nicht aus Tantiemen der GEMA oder aus Honoraren der verschiedensten Fernsehsender generieren.

Nun gibt es in letzter Zeit die unterschiedlichsten Aufrufe aus allen Ecken der Kulturschaffenden. Das reicht von „Vorschlägen“, seine Eintrittskarten bei einer verschobenen Veranstaltung nicht zurückzugeben, auch wenn man nicht teilnehmen kann, bis hin zu der Aufforderung , die Rundfunkstationen mit Musikwünschen zu überhäufen, um so die GEMA Einnahmen anzukurbeln.

Dies klingt alles ziemlich gut, entpuppt sich aber, bei genauerem Hinsehen leider häufig als blanker Aktionismus. Bekommt der Künstler den Eintrittspreis gutgeschrieben, wenn die Karte nicht retourniert wird? Im Normalfall nicht (was auch bereits von einigen Künstlern so kommuniziert wurde), sondern die „überschüssigen“ Einnahmen helfen im günstigsten Fall dem Theater/Veranstaltungsraum vor Ort, in den meisten Fällen aber lediglich dem Kartenverkäufer. Ist dieser Kartenverkäufer eine Agentur, die ebenfalls mit der Krise zu kämpfen hat, und sich um regionale Belange kümmert, kann man die „Nichtstornierung“ immer noch positiv sehen. Kommt aber beispielsweise ein Big-Player in der Ticketbranche ins Spiel, muss man sich schon überlegen, ob dort tatsächlich Not herrscht.

Auch bei der Wunschaktion ist wahrscheinlich eher der Wunsch der Vater des Gedankens. Denn wenn man etwas sagen kann, dann ist es, dass ihre Ankündigungen, man möge sich seine Lieblingsmusik wünschen, eigentlich aus zwei Teilsätzen bestehen, von dem sie grundsätzlich nur den ersten Teil verkünden. Gesagt wird „Schicken Sie uns ihre Musikwünsche“. Verschwiegen wird der zweite Teil, der da lautet „wenn dieser Musikwunsch auch sowieso in unserem Programm läuft“. Hat schon einmal jemand versucht, sich eine Musik zu wünschen, die von einem unbekannten Künstler (weiblich wie männlich) kommt? Ich habe es getan. Mehrfach, um das einmal zu testen. Ich lebe in Norddeutschland, wo der ansässige öffentlich rechtliche Radiosender (nur die haben Einfluss auf GEMA-Zahlungen) NDR heißt. Hier wird gern von „Ihr Sender – Ihre Musik“ gesprochen. Beinahe so inflationär, als wäre es ein Privatsender. Es ist gute Tradition, zur Weihnachtszeit über mehrere Tage immer die „Wunschhits“ der Hörer zu spielen. Gern wird dann auch mal ein Hörer in die Sendung geschaltet, der munter flockig seine Anekdote zu dem gewünschten Lied erzählen darf, wobei der Moderator so tut, als würde es ihn interessieren. Die Musikwünsche unterscheiden sich aber in keiner Weise von dem üblichen Einheitsbrei, der dort gespielt wird. Man kann glauben, dass sich viele viele Menschen „In der Weihnachtsbäckerei“ wünschen. Kann man – muss man natürlich nicht. Es gibt unzählige Lieder, die man spielen könnte, aber es läuft immer dasselbe Liedgut der drei großen Konzerne.

Zurück zum Thema, denn sonst werde ich wüterich.

Was würde es den Künstlern nützen, wenn jetzt eine Aktion, wie Anfang der 00er Jahre ausgerufen werden würde? Eine Quote für deutsche Musik. Klare Antwort – nichts, oder besser gar nichts. Abgesehen davon, dass auferlegte Quoten nie wirklich toll sind, würde nur einfach noch öfter Kunze, Oerding, Nena oder Helene Fischer gespielt werden. Die unbekannten Talente würden auch dann leer ausgehen.

Kann man also gar nichts tun, um zu helfen? Doch, natürlich kann man. Das ganze sogar, ohne auf die erniedrigende Geste der „Spende“ per Paypal zurückzugreifen.

Viele Künstler haben bereits CDs veröffentlicht, Bücher herausgebracht oder bieten Merchandise-Artikel an. Man sollte genau dort ansetzen. Kauft die Bücher, CDs, T-Shirts oder einfach nur das Feuerzeug. Wenn möglich, direkt beim Künstler. Davon hat er am Meisten.

Kein Musiker kann von Downloads oder vom Streaming leben. Eine verkaufte CD spült aber richtiges Geld in die Kasse.

Wer es jetzt schon kann, kauft schon jetzt Tickets für Veranstaltungen, die irgendwann wieder stattfinden werden. Auch wenn das Geld nicht sofort beim Künstler ankommt, gibt es ihm eine gewisse Planungssicherheit, und den Veranstaltern vor Ort hilft es ungemein.

Die Hochkultur in Bayreuth und Berlin wird sich nach der Krise kurz schütteln, und dann die Häuser wieder füllen (auch Dank der Subventionen). Die Klein-, und Kleinstkunst hat schwerer an der Last zu tragen. Schwerer und länger. Wir sollten das nicht zulassen, denn ohne Künstler = keine Kultur. Ohne Kultur = kein erfülltes Leben, find ich.


01.04.2020