Sprachlos

Sprachlos

Ich versuche mittlerweile seit ein paar Tagen, meine Gedanken zu sortieren und in einigermaßen sinnvollen Satzgefügen in die Tastatur zu tippen.

Sonst eigentlich immer bemüht, ein wenig Humor in meine Texte zu stecken, will mir das im Augenblick nicht gelingen. Ich fände dies auch unpassend, und würde es wahrscheinlich wieder streichen.

Erstmals bin ich sprachlos und schockiert ob der derzeitigen Situation, die mir auch einfach nicht in den Kopf kommen will.

In der letzten Woche habe ich im Fernsehen noch Bilder aus Kiew gesehen, mit fröhlichen und unbeschwerten Menschen, die im Cafe saßen oder zum Shoppen unterwegs waren. Ein paar Stunden später war alles anders. Schon die Sirenen, die über den zentralen Platz schallten erzeugten bei mir, der hunderte Kilometer entfernt in Sicherheit saß, ein Unwohlsein und eine Beklemmung, die ich nicht für möglich gehalten hätte.

Natürlich kann man das „Doppelmoral“ nennen. Ich weiß, dass Aleppo zerstört wurde, oder in Kabul ebenfalls viele Steine nicht mehr auf dem anderen stehen. Aber, ich gebe es zu, in meinem Unterbewusstsein sind das eben Aleppo und Kabul. Einigermaßen weit weg, und mit einer Infrastruktur, die unserer nicht Unähnlicher sein könnte.

Die Bilder aus Kiew aber wirken auf mich anders. Hier fuhren die gleichen Automarken, es hingen die gleichen Werbungen in den Straßen. Sogar die Verkehrsschilder sind mit unseren nahezu identisch. Kurz – dieses Kiew hätte auch Berlin sein können. Somit hat das für mich eine andere Dimension erreicht.

Auch dass die Flüchtenden nicht 6 Monate brauchen, um hier in Deutschland anzukommen, sondern sich teilweise vor drei Tagen noch in der eigenen Wohnung befanden, zeigt die Brisanz und vor allem die nicht allzu große Distanz zwischen Deutschland und der Ukraine.

Ich bin ebenfalls von einigen Menschen geschockt, die sich vor kurzem noch als Corona-Leugner, Querdenker oder Montagsspaziergänger betätigten, nun sofort zum Putinversteher avanciert sind. Eines wurde hier deutlich – sie beweisen nunmehr definitiv, dass es ihnen nie um die Sache ging (welche auch immer das war), sondern lediglich um die Provokation. Sie machen jetzt deutlich, wie lächerlich und infam sie eigentlich unterwegs sind.

Wie geht es weiter? Wie lange geht es weiter?

Ich weiß es nicht. Ich habe aber die Hoffnung (und auch ein wenig die Vermutung), dass sich das „Problem Putin“ sehr bald erledigt hat. Jetzt wäre die Chance für einen Mann aus der zweiten Reihe, den großen Kriegsherrn aufs Abstellgleis zu stellen und augenblicklich der Held der ganzen Welt zu werden. Herr Lawrov – Ihr Auftritt. Verbunden mit solch einer Schadensbegrenzung könnten Wünsche oder sogar Forderungen ausgesprochen werden, deren Erfüllung derzeit in weiter Ferne liegen.

Ich glaube, es werden immer mehr Menschen ärgerlich werden, weil die eigenen Felle, in Form des eigenen Geldes und der Privilegien, in einer atemberaubenden Geschwindigkeit davon schwimmen. So schnell, wie man sich mit Geld Freunde schafft, so schnell haben diese auch die Seiten gewechselt wenn es nicht mehr da ist.

Es wird nicht mehr lange dauern, dass auch der letzte merkt – „wenn die ganze Welt gegen uns ist, dann sind wir vielleicht einfach Schei*e.“

Die Apelle an Putin bringen nichts. Dieser Mann wird nie zurück rudern, sondern versuchen, bei seinem Abgang noch soviel Schaden anzurichten, wie möglich. Putin ist psychisch krank. Er gehört weggesperrt und der Schlüssel weggeworfen. (und ich halte mich aus Zensurgründen bereits zurück)

Wenn der letzte Soldat merkt, dass die Brüder in der Ukraine nicht „befreit“ werden wollen, und es eher so semi-gut finden, dass die Panzer rollen und die Schulen bombardiert werden, ziehen diese vielleicht den Zündschlüssel und lassen die Tanks einfach stehen. Kann die Ukraine vielleicht verkaufen und vom Erlös die Schäden reparieren.

Die vielen Opfer unter den Menschen, den ukrainischen und auch den russischen, kann man mit keinem Geld der Welt „reparieren“. Diese Schuld hat Putin auf sich geladen, und er wird dafür geradestehen müssen.

Ich hatte heute eine Frage gelesen, deren Antwort ich sehr treffend und hoffnungsvoll fand. Darf Putin eigentlich noch in die EU einreisen? Ja, aber nur nach Den Haag.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es schneller zu einer Palastrevolte kommt, als Putin „Wodka“ sagen kann, und dieser Spuk zu Ende ist.

So viel sollten wir Europäer doch nach so vielen Kriegen begriffen habe, find ich.

 

02.03.2022