Frühlingsgedanken

Es wird wärmer ... es wird kälter

Erinnern Sie sich noch an den Obdachlosen in der Vorweihnachtszeit?
Ja, genau der, vor dem Kaufhaus.
Sie haben ihm, weil es ja so bitterlich kalt war, einen Euro in den Hut geworfen, mit der dringlichen Mahnung, sich ja einen warmen Tee dafür zu kaufen. Dann sind Sie weitergegangen. Weiter, zu Karstadt. Da war es schön warm, und Sie hatten noch soviel zu besorgen.
Neulich kamen Sie wieder da vorbei, und für die herumsitzenden Leute hatten Sie lediglich den Kommentar: „Geht arbeiten!“ und „ Sowas sollte man verbieten.“ übrig.
Was war anders?
Der Frühling zieht ins Land. Es wird wärmer. Die Gefahr ist nicht mehr ganz so offensichtlich erkennbar. So schlecht kann es denen doch gar nicht gehen. Ja, im Winter, da ist das was anderes. Da hat man Mitleid. Das gehört zum „Guten Ton“.
Aber ist Mitleid nicht abgeleitet von „mit leiden“? Leiden Sie wirklich mit, wenn Sie Ihr Gewissen mit ein oder zwei Euro beruhigen?
Wenn die Flocken fallen, und wenn es kälter wird, dann wird es warm in den Herzen. Man gibt so leicht.
Doch, wenn es draußen wieder grünt, die ersten Sonnenstrahlen sich durch das Grau bahnen, dann wird es in uns wieder kälter. Dann fehlt uns das Mitleid oder besser, die Einsicht, in die Situation dieser Menschen, die kein schönes Weihnachtsfest hatten, und die im Sommer nicht in den Süden fliegen. Die sich sicherlich eine bessere Beschäftigung vorstellen können, als bei Regen oder Schnee auf der Straße zu leben.
Aber alles hat ein Ende. Auch der Frühling. Und der nächste Winter steht in einigen Monaten wieder vor der Tür.
Fühlen Sie sich ertappt? Gut! Das beweist, dass noch nicht alles zu spät ist.
Warten Sie nicht erst, bis zum nächsten Frost. Wenn Sie geben wollen, dann geben Sie.
Man muß bedenken, dass Hunger keine Frage der Jahreszeit oder der Temperatur ist. Stellen wir uns doch einfach die Frage: „Wie schnell kann es passieren, dass man die Seiten tauscht?“
Keine schöne Vorstellung, ich weiß. Aber würden wir uns nicht auch über jeden freuen, der gibt? Und zwar, ohne der Meinung zu sein, belehren zu müssen. Wir sollten uns nicht „freikaufen“ wollen, sondern gerne geben. Oder besser noch „mit leiden“.


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 sollte ich jemanden geschockt haben, der hier nur wieder erzählt bekommen wollte, wie schön es im Garten grünt, und die Krokusse schon so schön rausschauen ......tut mir nicht leid....war beabsichtigt


10.08.1999