OK Boomer

Hält man sich öfter oder länger im Internet auf, und macht dies speziell bei Facebook und Co., fällt auf, dass es immer schlimmer wird, wirkliche „Gespräche“ zu führen.

Jede Aussage, für die es keine Gegenargumente gibt (und seien sie noch so weit hergeholt) wird neuerdings mit dem Spruch gekontert: „OK, Boomer“. Damit ist die Diskussion beendet, der Schreiber fühlt sich toll, weil er so schlagfertig ist, aber man ist keinen Schritt weiter.

Ich gebe zu, „OK Boomer“ ist irgendwie witzig, wenn man dem Gegenüber mitteilen möchte, dass gerade Dinge behandelt werden, für die er/sie/es einfach zu alt ist. Nur – wird ein Spruch inflationär benutzt, und taucht in den Diskussionsspalten jeder zweiten Meldung auf, verliert er nicht nur seine Witzigkeit, sondern wirkt dann eigentlich nur noch peinlich. Zumal man davon ausgehen kann, da dieser Spruch oftmals in keinem Verhältnis zum Gespräch steht, dass der Einsetzende sich der Bedeutung dessen nicht einmal bewusst ist. Oft, ist er nicht einmal jung.

Nicht viel anders sieht es aus, mit solch Erwiderungen wie: „...und das sagt ein Fakeaccount“, oder „Trolle soll man nicht füttern“.

Nun ist gerade in den Skandinavischen Ländern durchaus umstritten, ob man Trolle füttern sollte, aber in diesem Fall hier geht es darum, dass der Gesprächspartner eine gegenteilige Meinung hat, und man ganz ganz hinten im Kopf weiß, dass er vielleicht Recht haben könnte, diese Meinung aber nicht zur eigenen Einstellung passt. Ganz nach dem Motto „wozu brauche ich Fakten, wenn ich eine Meinung habe“.

„Kein Mensch ist illegal“ ist ebensolch ein Satz, der oftmals zur Beendigung einer Diskussion genutzt wird. „Ja, stimmt“, möchte man antworten, aber auch wenn ein Mensch nicht illegal sein kann, kann es trotzdem sein, dass ein Mensch illegale Dinge tut. Diese Argumentation geht dann allerdings meist schon zu weit, wird nicht mehr beachtet, und es sind schnell Gleichgesinnte gefunden, die den Satz „Kein Mensch ist illegal“ unterschreiben, ohne darüber nachzudenken.

„Rassismus ist keine Meinung“ – auch richtig. Nur, nicht jede gegenteilige Meinung ist rassistisch, oder gar faschistisch. Oftmals nur einfach, gegenteilig.

Ich erwische mich immer öfter, dass ich denke, es sollte wirklich mal jemand den Stecker ziehen, und das Internet löschen. Wenn ich nicht selbst so neugierig wäre, würde ich mich längst aus dem Zirkus ausgeklinkt haben. Vor nicht allzu langer Zeit gab es zwei Möglichkeiten für mich, morgens den Blutdruck so richtig hochzufahren. Eine Tasse starken Kaffee, oder ein Besuch der Internetseite von Andrea Nahles. Heute reicht es, Facebook anzuschalten, und die ersten Kommentare zu lesen. Aber gesund kann das nicht sein, find ich.


11.12.2019