Gründe findet man immer
Es stimmt schon, suche ich nur lange genug, finde ich für alle Dinge, die ich tun (oder lassen) will, Gründe.
Bedurfte es bis vor kurzem noch eines Fußballspiels, oder wenigstens eines (beliebigen) Feiertags, benötigt man heutzutage einen Mundschutz, eine Impfung oder XXX (hier bitte etwas beliebiges einsetzen), um loszuziehen, und Städte zu verwüsten.
Ich bin mit der Impfung nicht einverstanden? Na dann rotte ich mich mit anderen Unzufriedenen zusammen, fasele etwas von Diktatur und zünde Fahrräder oder Autos an, und bewerfe Krankenwagen mit Steinen. Ich hab ja einen tollen Grund, und sogar genug Gleichgesinnte, die mir diesen tollen Grund bestätigen, weil sie eben auch zündeln, prügeln oder werfen. Nur in der Gruppe ist man stark.
Ich weigere mich beim Einkaufen eine Maske zu tragen? Dann gehe ich schnell nach Hause, bewaffne mich und erschieße den Verkäufer. So einfach – so simple – so hirnlos.
Ich weiß, solche Dinge gab es schon immer, und sie werden durch das Internet lediglich sichtbarer.
Wer erinnert sich nicht an die jährlichen „Erster-Mai-Krawalle“ in Berlin Kreuzberg oder Hannover? Wer hat nicht die Bilder von Hamburg beim G20 im Kopf?
Meist sieht man auf den Videos und den Bildern vermummte Personen, schwarz gekleidet, und sobald Gegenwehr kommt wegrennend. Denen geht und ging es nie um die Sache. Ich behaupte, die wenigsten Hooligans können die simple Frage nach dem Spielstand beantworten. Nicht weil sie keine Zahlen beherrschen (naja, vielleicht sogar das) sondern weil das Spiel schlicht nicht interessiert. Man will nicht das Spiel sehen, sondern davor und danach die gegnerischen Fans. Man trifft sich zur Prügelei. Leider muss hier die unbeteiligte Polizei dazwischen gehen. Wenn alles ganz dumm läuft, haben die Beamten plötzlich beide Parteien gegen sich.
Warum schreib ich dann überhaupt, wenn man das doch alles kennt, und es eigentlich schon immer so war?
Weil sich etwas gravierend geändert hat.
Heute radikalisieren sich Gruppen, die man im Alltag der „breiten Masse“, dem „kleinen Bürger“ zurechnen würde. Familienväter, Mütter (die ihre Kinder mitbringen) oder sogar ganze Familien liefern sich Schlachten mit der Polizei.
Wie konnte es dazu kommen, dass die Hemmschwelle so dermaßen nach unten gerutscht ist? Weil es immer mehr Menschen gibt, die vom sicheren Wohnzimmer aus (eventuell aus Langeweile) die Leute auf der Straße animieren, immer brutaler zu werden. Egal was passiert – man findet Gründe, warum dies eine „angemessene Reaktion“ auf die „Drangsalisierungen des Regimes“ ist. Schließlich wurde das ja „von denen da oben“ so provoziert. Es wäre ja klar, dass sich Otto Normalo endlich mal wehrt.
Nein
Es gibt keine Rechtfertigung dafür, eine studentische Aushilfskraft in einer Tankstelle zu erschießen. Der Täter wehrt sich nicht gegen die Maskenpflicht, sondern der Täter ist schlicht und ergreifend ein krankes Arschloch. Normalerweise nutze ich solche Begrifflichkeiten nicht, glaube aber, dass bestimmte Gruppen solch drastische Worte brauchen, um sie zu verstehen. Gäbe es die Maskenpflicht nicht, hätte er einen anderen Grund gefunden. Im Zweifelsfall hätte eine bestimmte Biermarke im Sortiment gefehlt. Gründe findet man immer.
Es ergibt auch keinen Sinn, einen Krankenwagen mit Steinen zu bewerfen, weil man sich vom Staat unterdrückt fühlt. Auch sorgen brennende Autos, Fahrräder oder andere Gegenstände des täglichen Bedarfs nicht für eine Änderung des persönlichen Gefühls des Eingesperrt seins. Lasst uns denen immer wieder sagen, dass es eben nur ein Gefühl ist. Schon die Tatsache, sich auf der Straße frei bewegen zu können, bei Bedarf in ein Auto oder Flugzeug zu steigen lässt sich nicht als „Eingesperrt sein“ definieren. Vielleicht sollten sich diese Leute vor Augen halten, dass die Konsequenz auf Zerstörung und Zündelei die Beschneidung dieser Freiheit zur Folge haben kann. Wer in einer Zelle sitzt, steigt selten in ein Flugzeug.
Mir ist bewusst, dass die breite Masse sich an Regeln hält, und dass die Minderheit nur besonders laut ist. Mir ist auch klar, dass die Einschränkungen mit denen wir derzeit leben müssen, für Viele, gelinde gesagt, unangenehm sind.
Eine Rechtfertigung für Krawall, Randale oder sogar Mord und Totschlag ist die Situation aber definitiv nicht, find ich.
26.11.2021